Erinnerung an Urs Jaeggi

Literaturtage

14. Mai — 13. Juni 2021

 

Rundgang durch die Ausstellung in einem Kurzfilm von Franco Müller

 

Anfang 2021, in seinem 90sten Lebensjahr, starb der bedeutende Solothurner Literat, Künstler und Soziologe Urs Jaeggi.


Die Solothurner Literaturtage nehmen dies zum Anlass, sein aussergewöhnlich breites Schaffen zu würdigen. Zusammen mit dem Künstlerhaus S11 wird dort in einer Ausstellung über drei Etagen ein Rückblick auf Urs Jaeggis Werk gezeigt mit einer besonderen Betonung seiner aktuellen Arbeiten als Künstler und Dichter.

 

Bericht in der Solothurner Zeitung


Prägend war für Urs Jaeggi in den letzten Jahrzehnten, dass er mit seinem Werk die Selbstverantwortung der Menschen für ihre Lebenszustände bewusst macht. Dies sowohl graphisch wie mit Hilfe der Sprache. Diesem Gedanken ist die Ausstellung im Künstlerhaus S11 gewidmet.

 


Die Ausstellung wurde von Anna Bürkli, Roberto Medici und Peter Trübner vorbereitet.



Parallel dazu sind während der 43. Literaturtage in der Stadt Solothurn 18 Tafeln mit Wortfragmenten aufgestellt, die Urs Jaeggi für die Literaturtage 2001 gestaltet hatte.

 

Urs Jaeggi im Atelier

 

 

 

 

Florian Neuner über Urs Jaeggi:

Jaeggi hat das deutsche Schubladendenken immer bedauert und sich als Homme de lettres in einem umfassenderen Sinn gesehen. In den 70er und 80er Jahren, inzwischen an der Freien Universität in Westberlin lehrend, wurde er auch als Schriftsteller bekannt und reüssierte 1981 sogar beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Doch das reichte ihm nicht. Als er beinahe schon das Rentenalter erreicht hatte, warf sich Jaeggi mit ganzer Energie auf die bildende Kunst, die nach seinem Abschied von der Universität 1992 ganz in den Mittelpunkt trat. Er malte in großen zeichenhaften Gesten, arbeitete mit Fundstücken und bespielte mit seinen raumgreifenden Installationen gerne Orte mit Patina und Geschichte, zuletzt im Sommer 2020 das alte Wasserwerk in Birkenwerder bei Berlin. Erfolgversprechend war diese neue Profession nicht unbedingt, aber darauf kam es Jaeggi nicht an, der über diesen Wendepunkt in seinem Leben schrieb: »Mir war, als tauchte ich aus einem vierzigjährigen Schlaf auf. Ich konnte neu sehen, lernte neu riechen, neu spüren. Ich bin aus den Klischees, denen man als Schriftsteller und Soziologe viel hautnaher unterworfen ist, heraus.«

 

zeichnungen

 

Urs Jaeggi über seine Kunst:

«Kunst ist nicht nur für mich, ähnlich wie Literatur, ein offenes Feld. Scheinbar überflüssig, luxurierend. Aber es gibt sie, seit es uns gibt. Die in der Welt verstreuten Höhlenzeichungen bewahren oft genug auch heute noch eine unglaubliche Ausdruckskraft. Sie waren wohl auch für die Bewohnern notwendig.
Und heute?
Es scheint, als wären Bilder heute inzeniert als Marktartikel, immer teurer, weil gesellschaftlich prestigegebend, und vielfach an Wert gewinnen.
Dabei wissen wir: Kunstwerke existieren, weil Experten sie so nennen.  Viele helfen auch immer stärker mit, Marktpreise zu beeinflussen,
Es gibt aber auch Kritiker. Octavio Paz sagt es hart: "Von Tag zu Tag wird klarer, dass das von der westlichen Zivilisation errichtete Gebäude für uns ein Gefängnis , ein blutiges Schlachthaus geworden ist. Und es könne kein Wunder sein, dass wir die Wirklichkeit in Frage stellen, und deshalb nach einem Ausweg suchen. Eigensinnig festhalten an der Illusion, mit Denken und Tun etwas verändern zu können; zum Beispiel mit Bildern. Ohne Verlangen, ohne Träume, subversives Denken und tun, ohne Kunst und Literatur unterwerfen wir uns den alltäglichen Schrecken.
Nur eben: In der Kunst fördern Experten im Kunstbetrieb Marktpreise, die den normalen, auch dem versierten Kunstliebhaber ausschliessen. Der Kunsthandel blüht. Für wenige.
Gegenexperimente? Ungewöhnlich und selten.»

 

Literaturport über Urs Jaeggi: www.literaturport.de/Urs.Jaeggi/